Diagnose einer Carotisdysplasie mit intracerebraler Kollateralisation bei einem Patienten mit Typ 1-Neurofibromatose mittels Farbcodierter Duplexsonographie
S Zipper
Citation
S Zipper. Diagnose einer Carotisdysplasie mit intracerebraler Kollateralisation bei einem Patienten mit Typ 1-Neurofibromatose mittels Farbcodierter Duplexsonographie. The Internet Journal of Neurology. 2001 Volume 1 Number 2.
Abstract
Anhand der Einzelfallbeschreibung eines Patienten mit NF-1 und einer Hypoplasie der ACI wird die nicht invasive Diagnostik einschließlich cerebraler Kollateralisation mittels FDS im Vergleich zur DSA beschrieben. Zudem ist es ein weiteres Ziel der Arbeit, auf die typische, wenngleich seltene Manifestation einer Dysplasie der ACI im Rahmen einer NF-1 hinzuweisen.
Einleitung
Bei der NF-1 (M. Recklinghausen) handelt es sich um eine autosomal dominant vererbbare Erkrankung des Gewebes mesodermalen und ektodermalen Ursprungs. Es können bei NF-1 Veränderungen nahezu aller Organe vorkommen. Am häufigsten sind cafe-au-lait Flecken und Neurofibrome der Haut [1]. Gefäßdysplasien gehören ebenso zu dem Spektrum der Pathologie, sie werden zumeist im visceralen Bereich gesehen. Die hirnversorgenden Gefäße sind selten betroffen, hier sind Stenosen, Verschlüsse sowie arteriovenöse Fisteln und Aneurysmata beschrieben [2]. Kürzlich berichteten Piovesan et al. [3] über einen Fall von NF-1 mit akuter Schlaganfallsymptomatik, bei dem angiographisch ein Verschluß dreier extracranieller hirnversorgender Gefäße diagnostiziert wurde. Die intracranielle Kollateralisation erfolgte über ein Moya-Moya-artiges Gefäßnetzwerk. Es wird hier die neurovasculäre Diagnostik bei einem Patienten mit NF-1 und mutmaßlicher TIA vorgestellt.
Falldarstellung
Ein 75 jähriger Mann ohne cardiovasculäre Risikofaktoren erlitt nach dem plötzlichen Auftreten eines vorübergehenden, nicht richtungsgebundenen Schwindels eine Synkope. Nachdem er nach wenigen Minuten das Bewußtsein wiedererlangt hatte, bestand für wenige Stunden eine beinbetonte Schwäche der linken Körperseite fort. In der Notfall-CT des Hirnschädels fanden sich keine Zeichen für einen frischen oder älteren Hirninfarkt. Eine Blutung oder eine andere Ursache für die Hemiparese konnte ebenfalls nicht gefunden werden. In der unmittelbar nach der CT durchgeführten CW-Dopplersonographie wurde der Verdacht auf eine präocclusive Stenose der rechten A. carotis interna (ACI) geäußert, welcher sich aus dem Nachweis einer erhöhten Pulsatilität in der rechten A. carotis communis im Vergleich zur Gegenseite und dem cranial hierzu ableitbaren deltaförmig deformierten Signals mit stark reduzierter Blutflußgeschwindigkeit ergab. Mittels extra- und transcranieller FDS, die daraufhin durchgeführt wurden, konnte der Nachweis einer Hypoplasie der rechten ICA [Abb. 1] sowie eine intracranielle Kollateralisation via R. communicans ant. von der linken Seite [Abb. 2] geführt werden. Extracraniell fand sich eine ausgeprägte Gefäßdilatation der linken Seite. Diese Befunde wurden in einer später im Rahmen der weiteren Diagnostik durchgeführten selektiven Angiographie bestätigt [Abb. 3, 4]. Die Ursache der mutmaßlich im vertebrobasilären Stromgebiet zu lokalisierenden transienten Ischämie konnte nicht mit letzter Sicherheit diagnostiziert werden, vermutet wurde eine artheroarterielle Embolie bei Nachweis nicht stenosierender Plaques in der Aorta ascendens. Eine Sekundärprophylaxe mit einem Thrombocytenaggregationshemmer wurde begonnen.
Diskussion
Die Prävalenz der NF-1 liegt nach Schievink et al. bei 1:3000 [4]. Da der Schlaganfall zu einer der häufigsten Erkrankungen in den westlichen Industrieländern gehört, ist es wahrscheinlich, daß auch häufiger Patienten mit NF-1 im Rahmen der Abklärung eines Schlaganfalls gesehen werden. Ganz allgemein stellt eine atherosklerotisch bedingte Stenose der Carotisbifurkation eine häufige Ursache für einen Hirninfarkt dar. Ursache für einen Schlaganfall können bei Patienten mit NF-1 zusätzlich intracerebrale und subarachnoidale Blutungen auf dem Boden von Vasomalformationen sein [5, 6], wobei Aneurysmata und arteriovenöse Fisteln beschrieben worden sind [7]. Intracranielle Verschlüsse führen bei NF-1 nicht selten zur Ausbildung einer Moya-Moya-artigen Kollateralisation. Das Auftreten von extracraniellen Carotisstenosen, -verschlüssen oder einer –hypo- bzw. –aplasie ist beschrieben worden [5, 8, 9] Unklar ist dabei, inwieweit diesen eine klinische Bedeutung zukommt.
Atherosklerose, Stenosen und Gefäßverschlüsse können in der Hand des Erfahrenen zuverlässig und nicht invasiv im Vergleich zur DSA ähnlich akkurat farbduplexsonographisch diagnostiziert werden [10]. Der Stellenwert der FDS insbesondere als erstes bildgebendes Verfahren der hirnversorgenden Gefäße im Rahmen der Schlaganfalldiagnostik ist mittlerweile gesichert. Zur sicheren Differenzierung einer präocclusiven Stenose von einem Verschluß ist aber immer noch nicht selten die Durchführung einer DSA notwendig, die allerdings für sich genommen ein Schlaganfallrisiko von etwas über 1% birgt [11]. Die Qualität von Ultraschalluntersuchungen hat sich in den letzten Jahren dank raschen technologischen Fortschritts stetig verbessert. Ihre Sensitivität in der Diagnostik extracerebraler Verschlußprozesse entspricht heute der der MRA und CTA, nach Pan et al. [10] übertraf die FDS sogar die DSA in der Beschreibung des Stenosegrades, wenn als Referenz das operative Präperat gewählt wurde. Carotishypoplasien können wahrscheinlich sogar besser im Ultraschall als in der DSA diagnostiziert werden; in der DSA kann möglicherweise die Dyplasie als Dissektion mißinterpretiert werden, da hier nur ein intraluminaler Zylinder dargestellt wird, hingegen sich im Ultraschall auch die Gefäßaußenwand echoreicher darstellt und somit ein Eindruck von der wirklichen Kaliberstärke des Gefäßes gewonnen wird.
Die Kenntnis intracranieller Kollateralisationswege stellt für den Kliniker oft eine entscheidende Hilfe in der Interpretation einer Schlaganfallursache dar. Wenngleich diese Indikation weiterhin die Domäne der DSA bleibt, kann mittels TCCS in der Regel eine Kollateralisation über den circulus arteriosus villisii problemlos nachgewiesen werden. Bei insuffizientem Schallfenster führt die Anwendung eines Echosignalverstärkers (z. B. Levovist) zu einer signifikanten Erhöhung der diagnostischen Ausbeute [12].
Im vorliegenden Fall wurde mittels CT eine Hirnblutung, z. B. auf dem Boden einer Vasomalformation ausgeschlossen. Die weiteren Untersuchungen hatten die Differentialdiagnose der Ischämie zum Ziel. Der diagnostische Ertrag, den dabei nicht invasive ultraschallgestützte Verfahren lieferten, stand dem der invasiven Angiographie nicht nach. Die nachgewiesene hämodynamisch wirksame linksseitige ACI-Hypoplasie konnte ursächlich nicht mit dem klinischen Bild in Einklang gebracht werden. Eher findet die Symptomatik mit Schwindel, Synkope und transienter Hemiparese eine Erklärung durch eine atheroarterielle Embolie in die A. basilaris bei Nachweis von nicht stenosierenden Plaques im Aortenbogen.
Zusammenfassung
Pathologisches Merkmal der Neurofibromatose vom Typ 1 (NF-1) ist eine Dysplasie des mesodermalen und ektodermalen Keimblattes, wobei klinisch praktisch jedes Organ betroffen sein kann. Dysplasien der hirnversorgenden Gefäße sind dabei ein seltener Befund. Als diagnostischer Goldstandard der Darstellung hirnversorgenden Gefäße gilt die selektive digitale Substraktionsangiographie (DSA). Im Fall eines 75-jährigen Patienten mit einer Neurofibromatose vom Typ 1, der für wenige Stunden eine transiente beinbetonte linksseitige Hemiparese erlitten hatte, konnte farbduplexsonographisch unmittelbar bei stationärer Aufnahme nicht invasiv der Nachweis einer Hypoplasie der ipsilateralen A. carotis interna (Abb. 1) mit einem cross-flow von der rechten Hirnhälfte über den R. com ant. zu der retrograd durchströmten linken A. cerebri anterior (Abb. 2) geführt werden, ein Befund, der in der DSA später bestätigt wurde. Eindeutige Belege für die Ursache der mutmaßlichen Ischämie konnten weder in der FDS noch in der DSA gefunden werden. Die FDS stellt sich zunehmend als valides bild- und funktionsgebendes Verfahren in der Diagnostik von extracraniellen Verschlußprozessen hirnversorgender Gefäße dar. Ihrem Nachteil der nur partiellen Gefäßabbildung steht im Vergleich zur DSA ihre Risikofreiheit bei fehlender Invasivität gewichtig gegenüber, wobei sehr häufig –wie auch im vorliegenden selteneren Fall einer Gefäßhypoplasie bei NF-1 die gleichen diagnostischen Schlußfolgerungen hinsichtlich der cerebralen Hämodynamik gezogen werden können.